Kunststoff Österreichische Zeitschrift Offizielles Organ der Gesellschaft zur Förderung der Kunststofftechnik, der Vereinigung Österreichischer Kunststoffverarbeiter und der Bundesinnung der Kunststoffverarbeiter ISSN 0029-926X P.b.b. WelkinMedia, Siolygasse 18/2/2 1190 Wien 15Z040412M 55. Jahrgang · Nr. 3/4 2024 ExtrusionstechnikVerpackung Alles aus einer HandKomplettlösungen für Ihre Kunststofftechnik Maschinen | Komplettanlagen | Service | Planung | Rohstoffe Luger GmbH | Werkvertretungen & Service | 3011 Purkersdorf | Tullnerbachstraße 55 Tel. +43 2231/63539-0 | office@luger.eu | www.luger.eu Verkaufsniederlassungen in Tschechien und Ungarn WENN ES UM IHRE KUNSTSTOFFTECHNIK GEHT Spritzgießmaschinen Spritzgießmaschinen, Extrusionsanlagen Förder-, Trocknungs-, Dosier- und Mischsysteme Temperaturregelgeräte Schneidmühlen für Kunststoffe Handlinggeräte, Handhabungs- elemente, Einlegeautomaten Kälte-, Klima- und Temperiergeräte Entstaubung von Schüttgütern Blasformmaschinen Förderbänder, Angußseparatoren Allmetall-Separatoren Restfeuchte-Messung Your recycling needs. Our grinding solutions.INHALT Foto: Wittmann Foto: K. Sochor Foto: K. Sochor Interview Bundesinnung Aktuelles, kurz notiert 64 Interview Bundesinnung 66 Extrusionstechnik 70 Verpackung 77 Compoundieren 90 Aufbereitung 93 Kreislaufwirtschaft 94 Veranstaltungen 96 Kunststoff.direct 98 Impressum, Vorschau auf Heft 5/6 2024 103 Foto: Montanuniversität Leoben Verpackung Foto: TPK Compoundieren Foto: Motan Aufbereitung Österreichische Kunststoffzeitschrift 3/4 2024 64 AKTUELLES KURZ NOTIERT Anmeldung zum Newsletter Melden Sie sich für den Newsletter der Österreichischen Kunststoffzeitschrift an: newsletter@kunststoff-zeitschrift.at Erhalten Sie regelmäßig alle wichtigen News aus der Branche! Neues Messeformat für Kunststoff, Recycling und Abfallwirtschaft in Klagenfurt Die CIRPLEX ist eine neuartige Kombi- nation aus Kongress, Messe und LIVE Experience (Circular Plastics Experience Summit), bei der die Besucherinnen und Besucher Recycling live und im realen Industrieumfeld erleben können. Nach- haltige sowie zirkuläre Kunststofflösun- gen in der Alpen-Adria-Region werden in einer Location präsentiert und ma- chen die Messe zu DEM Hotspot für Ent- scheidungsträgerinnen und -träger der Kunststoff- und Recyclingindustrie sowie der Abfallwirtschaft aus Österreich, dem Alpen-Adria-Raum, Süddeutschland und Zentral- & Südosteuropa. Ein neuer prosperierender Wirt- schaftsraum in der „Kunststoff-Kreislauf- wirtschaft“ mit mehr als 1,43 Millionen Beschäftigten und einem Wertschöpfungs- potenzial von fast 100 Milliarden Euro steht bei der CIRPLEX vom 13. bis 15. Mai 2025 in Klagenfurt am Wörthersee im Fokus. Die Kärntner Messen initiieren mit strategisch wichtigen Partnern aus der Region Zentral- und Südosteuropa erstmalig die CIRPLEX (Circular Plas- tics Experience Summit – Alpen Adria), welche ein neuer Treffpunkt der „Kunst- stoff-Kreislaufwirtschaft“ sein wird und sich als Markplatz für die südosteuropä- ischen Region positioniert. Die Ausstel- lungsbereiche umfassen – angefangen von den Bereichen Kunststoffindust- rie, Verpackungsindustrie, Chemische Industrie, Recycling, Abfallwirtschaft, Maschinenbau bis hin zu Entsorgungs- anforderungen an Gemeinden – die ge- samte Wertschöpfungskette der „Kunst- stoff-Kreislaufwirtschaft“. Das Kongressprogramm der „CIR- PLEX 2025“: ● 13. Mai 2025: Abend Pre-Event mit in- ternationalen Keynote-Speakern ● 14. Mai 2025: Green Technologies & Green Deal, Waste (Value) Manage- ment Collecting, Logistics & Sorting/ Washing, Kreislaufwirtschaft in den Gemeinden Life Experience Tours ● 15. Mai 2025: Polymer Recycling & Processing, Start Ups & Innovations, Sout East Europe 2035 Life Experience Tours Grafik: Kärntner Messen Aussteller profitieren vom Kongress- Messe-Format, welches sich auf 3.200m² erstreckt. Die CIRPLEX wird zusätzlich von einem Innovation Corner & Start Up Bereich abgerundet, der einen Aus- blick auf die neuesten Trends und Best Practice Beispiele in der Branche geben wird. Die begrenzten Ausstellungsflä- chen können entweder mit einem Kom- plettstandpaket in Basic oder Economy gebucht werden oder das Projektteam stellt ein individuelles Angebot zusam- men. Zu den Informationen über das neue Messeformat: CEO Thomas Gangl verlässt Borealis Der Aufsichtsrat der Borealis und Tho- mas Gangl haben sich einvernehmlich auf eine Beendigung des Mandats von Thomas Gangl als Vorstandsvorsitzen- der der Borealis AG sowie des damit verbundenen Arbeitsvertrags zum 30. Juni 2024 geeinigt. „Thomas Gangl ist eine Vorstandspersönlichkeit mit einem breiten Erfahrungsschatz bei der OMV, zuletzt als CEO von Borealis. Ich danke ihm für seine wertvollen Beiträge, die er in den vergangenen zwei Jahrzehnten für die OMV-Gruppe geleistet hat. Ich wünsche ihm alles Gute für seine zu- künftigen Aufgaben“, sagte Daniela Vlad, Mitglied des Vorstands der OMV Aktiengesellschaft und Vorsitzende des Aufsichtsrats der Borealis AG. Thomas Gangl begann seine Karrie- re bei der OMV im Jahr 1998 als Verfah- renstechniker, bevor er verschiedene Managementpositionen im Raffinerie- geschäft der OMV innehatte. Im Jahr 2019 wurde er als Chief Downstream Operations Officer Mitglied des OMV- Vorstands und leitete die Aufstockung der OMV-Beteiligung an Borealis auf 75%. In seine Amtszeit fielen die Inve- stitionsentscheidungen für die Elektro- lyse für grünen Wasserstoff und für die Anlage zur Produktion von grünen Bi- otreibstoffen in der Raffinerie Schwe- chat, sowie die Etablierung des che- mischen Recyclingprozesses ReOil der OMV. Thomas wurde im April 2021 zum CEO von Borealis ernannt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung der Strategie 2030 von Borealis beteili- gt, in deren Mittelpunkt die Nachhaltig- keit steht, sowie an der beschleunigten Transformation des Unternehmens hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Zu den wichtigsten Meilensteinen während sei- ner Amtszeit gehörten der Verkauf des Stickstoffgeschäfts von Borealis, die Übernahme von Rialti Spa, einem Po- lypropylen (PP)-Compounder für Rezy- klate in Italien, sowie die Unterzeich- nung der Übernahme von Integra Plastics AD, einem Anbieter von fort- schrittlichem mechanischem Recycling in Bulgarien. Darüber hinaus steuerte er die Verlängerung der Joint-Venture-Ver- einbarungen von Borealis mit Borouge, den erfolgreichen Börsengang von Bo- rouge am ADX und die endgültige Inve- stitionsentscheidung für die Borouge-4- Anlage in Ruwais (VAE), die nach ihrer Fertigstellung der weltweit größte Poly- olefin-Komplex an einem Standort sein wird. Details zur Nachfolge von Thomas Gangl werden zu einem späteren Zeit- punkt bekanntgegeben. www.borealisgroup.com Österreichische Kunststoffzeitschrift 3/4 2024 65 AKTUELLES KURZ NOTIERT Standard-Thermoplaste Trend April 2024: Aufwärtstrend setzt sich aufgrund gestiegener Vorproduktkosten fort / Nachfrage jedoch unvermindert schwach Die Preise für Standard-Thermoplaste ziehen weiter an. In Anbetracht der anhaltend schwachen Nachfrage gelingt es den Anbietern aber nur zum Teil, die gestiegenen Kosten für Ethylen (+40 EUR/t), Propylen (+45 EUR/t) und Styrol (+44 EUR/t) in vollem Umfang einzupreisen. Vielmehr gibt es bei mehreren Werkstoffen eine große Bandbreite unterschied- licher Abschlüsse, die vom Rollover bis zur kompletten Ko- stenweitergabe reicht. Dennoch tendieren die Preise im Schnitt weiter nach oben, was vielen Verarbeitern bei unverändert flauer Nach- frage mehr und mehr weh tut. Gekauft wird angesichts der hohen Preise nicht mehr als unbedingt nötig. Zudem versu- chen einige Akteure, die Höhe der April-Aufschläge zu re- duzieren oder ebenfalls einen Rollover zu erwirken. Somit könnten bei dem einen oder anderen Material die Durch- schnittspreise noch etwas bröckeln. „Plastixx“ bezeichnet den im Juni 2005 eingeführten Polymerpreisindex der KI - Kunststoff Information (nähere Informationen unter www.kiweb.de). Preisindizes März 2024 März Vormonat Änderung Plastixx 2.664,4 2.500,5 +6,6% Plastixx ST 2,755,1 2.578,7 +6,8% Plastixx TT 1.686,3 1.656,5 +1,8% www.kiweb.de Zum Titel Die WITTMANN Gruppe ist ein weltweit füh- render Herstel- ler von Spritz- gießmaschinen, Robotern und Peripheriege- räten zur Verar- beitung unter- schiedlichster Arten plastifi- zierbarer Mate- rialien. WITTMANN Produkte sind auf die hori- zontale und vertikale Integration in eine Smart Factory ausgelegt und können untereinander zu einer intelligenten Produktionszelle verbun- den werden. WITTMANN Technology GmbH Lichtblaustraße 10, 1220 Wien, Österreich +43 1 250 39-0 info@wittmann-group.com www.wittmann-group.com Alles aus einer Hand Das Titelbild zeigt das umfassende Produktportfolio der WITTMANN Gruppe. H.F. Mark Sustainability Award 2024 – Nachhaltige Projekte gesucht! Die steigende Relevanz eines nachhaltigen Um- gangs mit den uns verfüg- baren Ressourcen wird immer deutlicher. Insbe- sondere Kunststoffe ste- hen dabei immer wieder im Fokus kritischer Be- trachtung durch die brei- te Öffentlichkeit. Trotzdem bietet dieser Werkstoff auf- grund seiner spezifischen Eigenschaften vielfältige Anwendungsmöglichkeiten und weist gegenüber anderen Materi- alien entscheidende Vorteile auf. Gerade für die Entwicklung nachhaltiger Produkte wird Kunst- stoff zukünftig eine immer bedeutendere Rolle spielen. Dieses Po- tenzial will der H.F. Mark Sustainability Award unterstreichen. Die- ser Preis wurde ins Leben gerufen um Projekte vor den Vorhang zu holen, die sich den aktuellen Herausforderungen im Bereich „Nach- haltigkeit von Kunststoffen“ widmen. Zugelassen zur Einreichung sind Projekte – sowohl laufende, als auch bereits abgeschlossene – die sich mit dem verantwortungs- vollen Umgang mit der Ressource Kunststoff auseinandersetzen. Dabei kann der Fokus auf Recycling, Ressourcenschonung oder Nachhaltigkeit liegen. Zur Einreichung eingeladen sind Unterneh- men aller Art, Institutionen sowie Forschungs- und Bildungseinrich- tungen. Der Preisträger des H.F. Mark Sustainability Awards wird im Oktober im Rahmen der H.F. Mark Medaillen Verleihung, die das OFI bereits seit 1975 alljährlich veranstaltet, verkündet. www.ofi.at Grafik: AdobeStock Österreichische Kunststoffzeitschrift 3/4 2024 66 INTERVIEW mit Mag. Iris Dittenbach, Geschäftsführerin der Bundesinnung der Kunststoffverarbeiter und Bundesinnungsmeister Ing. Frank Böhler Mit geballter Kompetenz für die Interessen der Kunststoffverarbeiter Sie haben vor einigen Monaten die Position der Geschäftsführerin der Bundesinnung der Kunststoffverarbei- ter übernommen. Wie sieht ihr bishe- riger Werdegang aus? Iris Dittenbach: Für mein Studium der Rechtswissenschaften hat es mich aus dem Waldviertel nach Wien verschla- gen. Nach meinem Gerichtsjahr be- gann ich meine berufliche Laufbahn im Jahr 2000 bei der WKNÖ, die damals noch in der Herrengasse im ersten Wie- ner Gemeindebezirk angesiedelt war. Da ich im Bezirk Horn aufgewachsen bin, habe ich natürlich einen starken Bezug zum Land Niederösterreich. Als Fachgruppengeschäftsführerin in der Wirtschaftskammer Niederösterreich durfte ich zum damaligen Zeitpunkt be- reits die Kunststoffverarbeiter betreu- en, damals noch mit dem Landesin- nungsmeister Gerhard Brunnthaler – der Kreis hat sich nun nach 23 Jahren geschlossen! Zwei Jahre später wech- selte ich in die Abteilung Außenwirt- schaft in Niederösterreich, was die Zu- sammenarbeit mit den angrenzenden Ländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Deutschland bedeutete. Mit den Handelskammern gemeinsam wurden vor allem Firmentreffen und Messen organisiert. Nach der Geburt meiner zwei Kinder bin ich in die Bezirksstel- le Gänserndorf gewechselt, da es logi- stisch für mich einfacher war. Ganz be- sonders spannend war für mich, direkt mit den Mitgliedern und Kunden zu ar- beiten – im Front Office sozusagen. Von der Gründungsberatung über arbeits- und gewerberechtliche Anfragen bis hin zu Fakturierungsthemen bear- beitete ich vielfältige Anliegen. Nach sechs Jahren war die Zeit reif für eine neue Herausforderung, so wechsel- te ich 2012 unter dem Bundesinnungs- geschäftsführer Erwin Czesany in die Referentenposition in der Wirtschafts- kammer Österreich. Letzten Sommer bewarb ich mich für die Geschäfts- führerposition von 5 Bundesinnungen, konnte das Hearing für mich entschei- den und bin nun seit Anfang des Jahres in dieser Position, die mir große Freu- de bereitet. 5 Bundesinnungen hören sich ab- wechslungsreich, aber auch an- spruchsvoll an. Welche Innungen und Themengebiete zählen zu ihrem Auf- gabenbereich? Iris Dittenbach: Zum einen natürlich die Innung der Kunststoffverarbeiter, aber auch die Innung der Kunsthand- werke, zu denen Uhrmacher, Gold- und Silberschmiede, Buchbinder, Mu- sikinstrumentenerzeuge und Erzeuger kunstgewerblicher Gegenstände ge- hören. Die gesamte Bundesinnungs- gruppe hat etwas über 70.000 Mit- gliedsbetriebe. Kunststoff ist schon breit gefächert, aber andere Innungen noch weit mehr. So gibt es bei den Kunst- stoffverarbeitern eine Meisterprüfung und bald drei Lehrberufe, aber bei den Kunsthandwerkern gibt es jeweils ei- gene Meisterprüfungen, eigene Lehr- lingsausbildungen, eigene Kollektiv- verträge für jede Berufsgruppe. Weiters fällt die Bundesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure in meinen Aufgabenbereich, auch mit Piercern, Tätowierern, Heilmasseuren und Na- gelstudios, ebenso die Bundesinnung der Mode- und Bekleidungstechnik, wo aber auch die Kürschner und Textil- reiniger dabei sind, so wie Damen- und Herrenkleidermacher, Handschuhma- cher und Modisten. Als fünfte Innung kommt die Innung der Chemischen Gewerbe hinzu, mit den Denkmal-, Fassaden und Gebäudereinigern, wei- ters die Kosmetikhersteller, Labore, Schädlingsbekämpfer sowie Hausbe- treuer. Zwei Referenten und drei Assi- stenten unterstützen mich zum Glück in meiner Tätigkeit. Seit Jänner steht mit Mag. Iris Dittenbach erstmals eine Frau an der Spitze der Geschäftsführung der Innung der Kunststoffverarbeiter. Die gebürtige Waldviertlerin und studierte Juristin ist in der Wirtschaftskammer Geschäftsführerin von 5 Bundesinnungen und kennt die Strukturen in der Kammer und den Innungen seit mehr als 20 Jahren. Zusammen mit dem Bundesinnungsmeister Ing. Frank Böhler führ- ten wir ein Gespräch über vielfältige Aufgaben, die herausfordernden Kollektivvertragsverhandlungen und das breite Angebot der Innung für die Mitgliedsbetriebe. INTERVIEW BUNDESINNUNG Mit Mag. Iris Dittenbach steht erstmals eine Frau an der Spitze der Geschäftsführung der Innung der Kunststoffverarbeiter. Zusammen mit Bundesinnungsmeister Ing. Frank Böhler hat sie für ihre Mitgliedsbetriebe immer ein offenes Ohr. Fotos: K. SochorINTERVIEW BUNDESINNUNG Österreichische Kunststoffzeitschrift 3/4 2024 67 Herr Böhler, wo ist Ihre Funktion als Bundesinnungsmeister angesiedelt? Frank Böhler: Ich sehe meine Funktion als Bundesinnungsmeister vor allem darin, länderübergreifend verschie- denste Themen abzudecken. Aber ein Thema liegt mir besonders am Herzen und das ist die Ausbildung. Gemein- sam mit den Lehrlingsverantwortlichen unserer Mitgliedsbetriebe und unseren Kollegen in der Industrie, mit dem Bil- dungszentrum Lenzing, dem IBW und der Berufsschule Steyr arbeiten wir in- tensiv an der Weiterentwicklung beste- hender und an der Entwicklung neuer Lehrberufe. Der Kunststoffformgeber wurde ja bereits zum Kunststoffverfah- renstechniker und der Kunststofftechni- ker zum Kunststofftechnologen. Seit gut zwei Jahren in Vorbereitung ist der Fa- serverbundtechniker. Dabei sehe ich mich als Kommunikator auf der einen Seite, aber auch ein bisschen als Brem- ser, denn die neuen Lehrberufe müs- sen schließlich auch in den Unter- nehmen ausgebildet werden können. Ausbildungsverbünde werden immer mehr zum Thema und wir versuchen, in allen Bundesländern Personen mit ins Boot zu holen, die sich mit der Lehr- lingsausbildung auskennen, Lehrin- halte mitdefinieren und Prüfungsord- nungen mitschreiben können, um die Ausbildung auf einem einheitlichen Niveau österreichweit umsetzbar zu machen, auch in Verbindung mit den Prüfungsorten. Wie kann man sich die Zusammenar- beit zwischen Bundesinnungsvorstand und Geschäftsführung vorstellen? Frank Böhler: Wir stehen das ganze Jahr über in regem Austausch und pflegen eine intensive Kommunikation. Als Bundesinnungsvorstand mit Erika Lottmann aus Oberösterreich, Mar- kus Brunnthaler aus Niederösterreich und mir haben wir mit der Geschäfts- führung in der Wirtschaftskammer ein ganz wichtiges Backup, nicht nur bei Kollektivvertragsverhandlungen. Ak- tuell stehen viele Regularien im Raum, die uns als Kunststoffverarbeiter mas- siv betreffen. Die Herausforderung, die wir hier zu bewältigen haben, ist, dass wir Vorschläge für Verordnungen be- kommen, zu denen wir Expertisen ab- geben sollen. Ohne die entsprechende Unterstützung aus der WKO wäre dies unmöglich. Iris Dittenbach: Wenn wir zu Stellung- nahmen zu EU-Regulatorien aufge- fordert sind, müssen wir die Informati- onen für unsere Mitgliedsbetriebe auf das Wichtigste herunterbrechen und möglichst verständlich aufbereiten. Das Feedback von Experten aus den Un- ternehmen ist ungemein wertvoll, vor allem da hier zumeist unter großem Zeit- druck gearbeitet wird. In der Bundesin- nungsgruppe haben wir uns deshalb vor kurzem auch mit einer neuen Refe- rentin verstärkt, die sich mit technisch und juristisch verknüpften Belangen auseinandersetzt, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Frank Böhler: Es ist in diesem Zusam- menhang wichtig zu wissen, welcher Mitgliedsbetrieb über welche Kompe- tenzen verfügt. Dabei können wir als Unternehmer die Geschäftsführung tatkräftig unterstützen, da wir in un- serer Branche gut vernetzt sind. Iris Dittenbach: Einer der weiteren Vor- teile unserer engen Zusammenarbeit, etwa im Rahmen der Entwicklung der Ausbildungsordnungen, ist für mich persönlich, dass man fachlich viel mit- bekommt. Man lernt neue Leute aus der Branche kennen und merkt sich den einen oder anderen Fachbegriff bes- ser. Jedenfalls ist der Austausch immens wichtig, um am Ball zu bleiben. Zum Glück sind die Kunststoffverarbeiter offen und kommunikativ, denn die The- men sind ja oft doch ziemlich komplex. War die Flut an Regularien schon immer da und einfach nicht so be- wusst, oder hat der Green Deal einiges verändert? Frank Böhler: Ganz klar ist der Green Deal der Ursprung der zahlreichen Anforderungen, die auf uns zukom- men. Die Intensität an Entwürfen, Ver- ordnungen und Regularien ist definitiv neu. Das große Thema für uns ist nun, den Mitgliedern klarzumachen, dass es sich dabei nicht um unsere Idee han- delt, sondern dass wir versuchen, die oft komplexe Materie bestmöglich auf- zubereiten und sie in kleinen Teilen so weiter zu kommunizieren, dass sie mög- lichst verständlich bei allen Beteiligten ankommt. Iris Dittenbach: Die Info, die beim Mit- glied ankommt, ist zumeist nur mehr Gerade beim Thema Nachhaltigkeit sind zusätzliche Kompetenzen notwendig. Die Wirtschaftskammer unterstützt ihre Mitglieder mit vielfältigen Angeboten. In unserem Büro sind wir zum Glück sehr breit auf- gestellt, denn wir dürfen zahlreiche Berufsgruppen vertreten. Wir versuchen Synergien zu schaffen und Kompetenzen zu bündeln – ein großer Vorteil der Wirt- schaftskammer, wo wir in den Fachabteilungen über zahlreiche Experten verfügen. Es ist gerade das Duale System in der Kammer, das zum einen auf die Funk- tionäre aus den Unternehmen als Experten, aber auch auf uns als ‚Organisatoren‘ zurückgreifen lässt. Mag. Iris Dittenbach, Geschäftsführerin der Bundesinnung der Kunststoffverarbeiter „ “68 INTERVIEW BUNDESINNUNG ein Bruchteil von dem, was ursprüng- lich geplant war und durch viele In- terventionen bereits abgewendet wer- den konnte. Obwohl es wirtschaftlich schlagkräftigere Verbände bei uns im Haus gibt, ist jede Innung mit sei- nen Bundesinnungsmeistern und Ge- schäftsführern wichtig und findet ein offenes Ohr für seine Anliegen, auch an oberster Stelle. Frank Böhler: Vielen Unternehmerkol- leginnen und -kollegen ist noch nicht bewusst, dass, selbst wenn die Regu- larien bei ihnen jetzt noch nicht auf- schlagen, es doch so ist, dass viele ihrer Kunden bereits ganz klar von den Berichtspflichten betroffen sind. Das heißt, wenn Du morgen die Regulari- en nicht erfüllen kannst, bis du als Lie- ferant weg vom Fenster. Daher unsere Message an alle unsere Mitgliedsbe- triebe – kümmert euch darum, schaut hin, denn es wird nicht einfach an uns vorüber gehen! Auch wenn die In- kraftsetzung um ein Jahr nach hinten verschoben wird, kommt die Berichts- pflicht in jedem Fall. Sobald ein Unter- nehmen in eine Lieferkette eingebun- den ist, wird sie relevant, da der Kunde vielleicht mehr als 500 Mitarbeiter hat. Da wird sich niemand rausnehmen können – dieser Tatsache müssen wir uns sehr bewusst sein! Gerade beim Thema Nachhaltigkeit sind aber zusätzliche Kompetenzen notwendig. Wie kann die Kammer hier ihre Mitglieder unterstützen? Frank Böhler: In der Wirtschaftskam- mer gibt es eigene Spartenchefs, die sich um das Thema ESG kümmern. Es wird evaluiert, in welche Richtung es gehen kann, etwa beim Thema Nach- haltigkeitsberichterstattung für Ban- ken. Meiner Ansicht nach wird zukünf- tig kein Unternehmen mehr eine Bilanz ohne Nachhaltigkeitsreport abgeben können. Iris Dittenbach: In unserem Büro sind wir zum Glück sehr breit aufge- stellt, denn wir dürfen zahlreiche Be- rufsgruppen vertreten. Wir versuchen Synergien zu schaffen und Kompe- tenzen zu bündeln – ein großer Vorteil der Wirtschaftskammer, wo wir in den Fachabteilungen über Experten ver- fügen, die zum Teil zuvor in der Euro- päischen Kommission oder in Ministe- rien tätig waren. Gut vernetzt sein und mitdenken ist hier das Thema, um he- rauszufinden, was für die einzelnen Sparten und Berufe von besonderem Interesse sein könnte. Wir haben ein tolles Miteinander hier im Haus, aber auch mit den Landeskammern. Zusätz- lich ist es gerade das Duale System in der Kammer, das zum einen auf die Funktionäre aus den Unternehmen als Experten, aber auch auf uns als ‚Orga- nisatoren‘ zurückgreifen lässt. Welchen Termin brauchen wir? Wen treffen wir? Welcher Schritt ist der nächste? Wir können uns abstimmen und ergänzen uns perfekt. Frank Böhler: Wichtig ist eine Struk- tur, mit deren Unterstützung die Länder untereinander kommunizieren können, beziehungsweise eine ‚oberste‘ Stelle zu haben, wo man auch mal seine Sor- gen deponieren kann. Iris Dittenbach: Wir koordinieren die Bedürfnisse der 9 Landeskammern und kommunizieren zu den Ministerien und politischen Institutionen. Die Lan- deskammern selbst stehen mit den Mit- gliedern im Austausch und sind auch die erste Ansprechstelle für deren An- liegen. Viele Unternehmen interessiert ver- ständlicherweise vor allem das Thema Kollektivvertrag. Wie ist hier der aktu- elle Stand? Frank Böhler: Mit 1. Mai treten jähr- lich in unserer Branche die neuen Kol- lektivverträge in Kraft, was für uns bedeutet, dass wir jeweils ab Febru- ar gemeinsam in Verhandlungen und Gespräche gehen. Wir kommen heuer in unserem Betrachtungszeitraum von März 2023 bis Februar 2024 auf eine durchschnittliche Inflationsrate von 6,7 Prozent. Prinzipiell ist es bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen ein Geben und Nehmen mit dem Sozialpartner. Mittlerweile ist es jedoch eine enorme Herausforderung, dass wir uns mit den Erhöhungen nicht selbst aus dem Wett- bewerb schießen. Wenn man sich die letzten 3 Jahre anschaut und was heuer noch zu erwarten ist, sind wir bei rund 20 % Erhöhung – für den Standort Ös- terreich ist das natürlich alles andere als positiv. Zusammen mit den Lohn- nebenkosten in einem derzeit sehr schwierigen wirtschaftlichen Umfeld macht uns das nicht attraktiver, im Ge- genteil. Iris Dittenbach: Erschwerend kommt hinzu, dass der ausverhandelte Kollek- tivvertrag für das burgenländische Un- ternehmen an der Grenze zu Ungarn genauso passen muss wie für den Un- ternehmer in Vorarlberg. Dieser Spa- gat muss uns jedes Jahr aufs Neue gelingen, obwohl die Branche so un- terschiedlich strukturiert ist, auch von den Abnehmerbranchen. Dieses Jahr wird es aber eine besondere Heraus- forderung! Geballte Kompetenz an der Spitze der Innung der Kunststoffverabeiter. „ “ Es ist eine große Herausforderung, als Unternehmer auf verschiedenen Spielwiesen unterwegs zu sein. Auf der einen Seite steht das Tagesgeschäft, die lau - fende Produktion, der tägliche Kampf um Aufträge und dann kommen auf der anderen Seite alle Ver- änderungen auf einen zu, für die man sozusagen ‚ nichts kann‘. Als Bundesinnung versuchen wir bestmöglich über aktuelle Themen zu informieren und Hilfestellungen für unsere Mitglieder anzubieten. Ing. Frank Böhler, Bundesinnungsmeister Österreichische Kunststoffzeitschrift 3/4 2024 69 INTERVIEW BUNDESINNUNG Frank Böhler: Neu in diesem Jahr ist jedenfalls, dass wir eine aktualisierte Lohnordnung für die Arbeiter ausge- arbeitet haben. Einfacher und moder- ner ist hier die Devise. Von 7 Lohngrup- pen wird voraussichtlich ab 1. Jänner 2025 auf 5 Gruppen reduziert. Damit er- reichen wir eine Aufwertung der Lehre sowie eine Erleichterung der Einstu- fung der Mitarbeiter, um Lohn- und So- zialdumping zu vermeiden. Iris Dittenbach: Zudem haben wir eine neue Meisterprüfungsordnung, die Ausbildungsordnungen konnten wir überarbeiten und damit war die neue Ausrichtung der Lohnordnung ein lo- gischer Schritt. Wie kann man sich den konkreten Ab- lauf der KV-Verhandlungen vorstel- len? Frank Böhler: Von unserer Seite sind der Vorstand der Bundesinnung, ein Experte der WKO, die Geschäftsfüh- rung der Innung und einige Unterneh- mensvertreter, die auch die Auswir- kungen im eigenen Betrieb abschätzen können, bei den Verhandlungen ver- treten. Die Dramaturgie einer KV-Ver- handlung ist immer ähnlich – wir be- ginnen in einer großen Runde mit Betriebsräten und der Gewerkschaft Bau/Holz als Vertreter des Sozialpart- ners. Die Entscheidungen passieren oft in der kleineren Runde in Arbeits- gruppen. Dazwischen kann es zu Vier- Augen-Gesprächen der Vorsitzen- den kommen, um sich in der nächsten Runde anzunähern und schließlich zu einem finalen Ergebnis zu kommen. Iris Dittenbach: Verhandelt wird übri- gens doppelt – einmal für den Arbeiter- Kollektivvertrag und dann noch einmal für den Angestellten-KV. Welche Services können den Unter- nehmen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten angeboten wer- den? Frank Böhler: Es ist eine große Heraus- forderung, als Unternehmer auf ver- schiedenen Spielwiesen unterwegs zu sein. Auf der einen Seite steht das Ta- gesgeschäft, die laufende Produktion, der tägliche Kampf um Aufträge und dann kommen auf der anderen Seite alle Veränderungen auf einen zu, für die man sozusagen ‚nichts kann‘. Wie können wir helfen und unterstützen? Als Bundesinnung können wir bei- spielsweise keinen Nachhaltigkeitsbe- richt für Unternehmen schreiben, aber darüber bestmöglich informieren und Hilfestellungen anbieten. Iris Dittenbach: In den Landeskam- mern finden zahlreiche Infoveran- staltungen statt, wie etwa zu den An- forderungen aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Die Betriebe müssen daran aber auch teilnehmen und ich strapaziere hier das Wort ‚Holschuld‘. Die Landeskam- mern sind sehr aktiv und bieten ein breitgefächertes Themenangebot, das auch regional abrufbar ist. Dazu ge- hören ebenso Beratungsangebote und die Möglichkeit von Vernetzung mit Ex- perten, die bei Bedarf direkt in die Be- triebe kommen. Frank Böhler: Zudem hat die WKO große Kompetenz im Ausland. Die Au- ßenwirtschaftscenter sind wichtige An- sprechpartner für alle Unternehmen, die bereits international aufgestellt sind oder den Export verstärken möch- ten. Mit dieser Struktur sind wir in Eur- opa sicherlich einzigartig – vom Erfolg in den Exportmärkten können viele er- folgreiche Unternehmen berichten! Iris Dittenbach: Von der Bezirksstel- le über die Landesinnungen bis hin zur Vertretung im Ausland sind wir mit Dienstleistungen präsent. Die Ange- bote sind vielfältig, sie müssen von den Unternehmen abgeholt werden. Dazu zum Abschluss noch ein Aufruf von meiner Seite – stellen Sie Ihrer Lan- desinnung eine aktuelle Mail-Adresse zur Verfügung, damit die Infos im Un- ternehmen auch an der richtigen Stelle landen. Nur so können wir alle unsere Mitgliedsbetriebe optimal informieren! www.kunststoffverarbeiter.at roadshow.sumitomo-shi-demag.eu Einladung zu unserer Roadshow JETZT REGISTRIEREN: 06.05.24 I 10-15 Uhr HTL St. Pölten, Waldstraße 1, 3100 St. Pölten 08.05.24 I 10-15 Uhr HTL Bregenz, Reichsstraße 4, 6900 BregenzNext >